Forderungen an das KIT bzgl. dessen Rolle im Krieg in Gaza

Datum: 
24.09.2024
Beschluss: 

Die verfasste Studierendenschaft fordert vom KIT
1. die Beendigung der Kooperation mit der Technion Universität in Haifa und der Hebrew Universität in Jerusalem. Die Offenlegung aller Projekte, Kooperationen und Austauschprogramme zwischen dem KIT und Israelischen Forschungseinrichtungen und Hochschulen muss ebenfalls erfolgen.
2. die Offenlegung und Beendigung aller Rüstungsforschung am KIT sowie eine Aufarbeitung hinsichtlich des Einflusses der Rüstungsforschung am KIT auf den Genozid in Palästina.
3. die Offenlegung und Beendigung aller Kooperation mit Firmen und Institutionen, die die Besatzung unterstützen, von der Besatzung profitieren, oder aktiv an der Siedlungspolitik beteiligt sind.
4. die Transparenz der bisherigen Richtlinien zur Genehmigung von Veranstaltungen, ein Ende der Repression sowie die Öffnung des Campus für politische Diskussionen und Forderungen, insbesondere in Bezug auf Palästina.

Begründung: 

Das KIT unterhält mehrere Kooperationen und Verbindungen mit Institutionen, welche in schwere Verletzungen von
internationalem Recht und Menschenrechten in Palästina involviert sind.
Seit dem 07. Oktober wurden mehr als 40.000 Palästinenser:innen in Gaza durch Israel getötet, und die Zahl der
Toten könnte selbst, wenn die Invasion jetzt endet, mehr als 186.000 erreichen [1]. Schulen, Krankenhäuser [2] und
ausnahmslos alle Universitäten [3] wurden zerstört. Mehr als 80 Prozent der Wohngebäude sind nicht mehr nutzbar
[4]. Die UN spricht von Kriegsverbrechen, dem absichtlichen Aushungern von Zivilisten sowie Blockaden von
Hilfslieferungen durch Israel [5]. Immer mehr Menschen sterben durch Hunger und Krankheiten. Der israelische
Verteidigungsminister Yoav Gallant sprach davon, dass Israel "menschliche Tiere" in Gaza bekämpfe und
entsprechend handle [6]. Das ist ein Völkermord, und die Fortsetzung der Vertreibung, Unterdrückung und
Entrechtung der Palästinenser:innen, die seit mehr als 75 Jahren andauert.
Das KIT hat am 12. Oktober 2023 auf seiner Webseite das Statement der Allianz für Wissenschaften geteilt [7] und
damit seine Sympatie mit seinen "Freunden und Kollegen in der israelische wissenschaftlichen Gemeinschaft"
ausgedrückt und das Statement mit den Worten "Wir stehen in Solidarität mit Israel" beendet [8]. Weder nach 75
Jahren Vertreibung, Unterdrückung, und Entrechtung, noch nach über acht Monaten tödlicher Angriffe auf die
palästinensische Zivilbevölkerung hat die Universität eine öffentliche Äußerung in Solidarität mit den
Palästinenser:innen gemacht. Dabei wurden im Laufe des Genozids systematisch Schulen und ausnahmslos alle
Universitäten von der Israelischen Armee zerstört [3]. Die Massaker an den Palästinenser:innen gehen außerdem
jeden Tag weiter und werden mit deutscher Unterstützung in Form von z.B. Waffenlieferungsgenehmigungen geführt
[9]. Wir fordern daher, dass sich das KIT in einer öffentlichen Stellungnahme für einen sofortigen, permanenten
Waffenstillstand auszuspricht.
Die Unterstützung des KITs für Israel besteht allerdings nicht nur aus Worten, sondern aus einer Reihe von
Kooperationen in Forschung und Austauschprogrammen. Die stärkste Kooperation besteht mit der Technion
Universität (Israel Institute of Technology) in Haifa. Zwischen den beiden Universitäten besteht ein festes
Austauschprogramm [10]. Schon auf der Webseite des KIT wird das Technion als eine Universität beworben, deren
Absolvent:innen Israels "technological defense capabilities" verstärken [11].
Das Technion arbeitet eng mit den israelischen Rüstungsfirmen Elbit Systems und Rafael Advanced Defense Systems
zusammen. Elbit Systems, einer der größten israelischen Rüstungskonzerne, produziert Drohnen, die auch in Gaza
eingesetzt werden [12], während Rafael Advanced Defence Systems Maschinengewehrtürme für den Kampfpanzer
Merkava IFV Namer produziert, der in Gaza im Einsatz ist. Im Jahr 2013 rekrutierte Rafael 150 Studierende aus dem
Technion, die ihr Studium zwischen Rüstungsforschung und Universität aufteilten. Außerdem nahm die Universität
eine halbe Million Dollar von Elbit Systems für ihre Forschung an. Auch an der Entwicklung des ferngesteuerten D9-
Bulldozers, der für die Zerstörung palästinensischer Häuser in Ostjerusalem und dem Westjordanland eingesetzt wird
[13], war das Technion beteiligt. [14]
Das Technion organisiert Kurse, die die Vermarktung und Bewerbung israelischer Rüstungsgüter zum Thema haben
[14]. Die mehreren tausend Studierenden des Technion, die der Einberufung folgten, um sich aktiv am Genozid in
Gaza zu beteiligen, wurden mit umgerechnet ca. 1500 Euro (6000 NIS) pro Person von der Universität unterstützt
[15]. Die Unterstützung für das Technion bedeutet Unterstützung für Völkermord.
Das KIT kooperiert auch in Forschungsprojekten mit israelischen Universitäten, vor allem in der Wassertechnologie
[16]. Darunter auch die Hebrew Universität in Jerusalem [17], deren Campus sich seit 1967 in Ostjerusalem
ausgebreitet hat und eine Militärbasis umfasst [18]. Ein weiterer Projektpartner ist Mekerot [19], Israels staatliches
Wasserversorgungsunternehmen. Das Unternehmen betreibt systematisch Wasserraub an palästinensischen
Grundwasservorräten zugunsten israelischer Siedlungen in der Westbank und zerstört dabei die Lebensgrundlage
palästinensischer Bauer:innen [20].
Technion und die Hebrew Universität sind keine Einzelfälle. Die zwei genannten Universitäten und das Weizmann-
Institut waren von Beginn an in die Vertreibung und Entrechtung der Palästinenser:innen verwickelt. Die Haganah, die
führende zionistische Miliz während der Vertreibung der Palästinenser:innen 1948, der Nakba, unterhielt einen
"Science Corps" an den Universitäten zur Waffenherstellung [21]. Wie oben aufgeführt, sind israelische Universitäten
bis heute mit dem israelischen Militär und der israelischen Rüstungsindustrie verwoben. Wir folgen dem Aufruf der
Palästinensischen Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels (PACBI) [22] und fordern die
Beendigung der Zusammenarbeit mit allen israelischen Universitäten.
Die Universität hat bereits bewiesen, dass sie nicht zögert, Maßnahmen gegen Institutionen zu ergreifen, die mit
Staaten verbunden sind, die Angriffskriege führen. So wurde die Zusammenarbeit mit russischen Hochschulen und
Forschungseinrichtungen aufgrund des Angriffskrieges auf die Ukraine beendet [23]. Dies zeigt, dass die Universität
politisch agiert und prinzipiell nicht gegen Boykott ist.
Angesichts dessen fordern wir die Universität auf, ihre ethischen Standards konsequent anzuwenden und
entsprechend zu handeln. Es ist unerlässlich, dass die Universität jegliche Zusammenarbeit mit Institutionen, die
direkt oder indirekt an solchen Kriegsverbrechen beteiligt sind, sofort beendet.
Im Jahr 2023 deckten deutsche Waffen 47 % der Waffenimporte Israels ab [9]. Deutsche Rüstungsunternehmen
verdienen also am Völkermord in Gaza. Das KIT hat immernoch keine Zivilklausel, obwohl die Studierendenschaft
2009 dafür gestimmt hat [24]. Rüstungsforschung ist damit zulässig an unserer Universität. Es ist bekannt, dass das
KIT mit dem Frauenhofer Institut kooperiert, welches Rüstungsforschung betreibt. Das Frauenhofer-Institut für
Chemische Technologie (ICT) hat auf ihrer Webseite eine Rubrik namens "Explosivstofftechnik und Sicherheit" [25],
das Frauenhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) nennt "Verteidigung" als
Geschäftsfeld auf ihrer Webseite [26]. Die Leiter dieser beiden Frauenhofer-Institute sind auch Professoren am KIT
[27]. Daher fordern wir die Offenlegung aller Rüstungsforschungprojekte, sowie die Einführung einer Zivilklausel für
den Campus Süd.
Aufgrund der Zerstörung aller Universitäten Gazas fordern wir Förderprogramme für Studierende und
Akademiker:innen aus Palästina am KIT, wie beispielsweise die Übernahme von Studiengebühren durch das KIT.
Es wurde vom SDS versucht einen Infostand zum Thema Palästina vor der Mensa anzumelden. Dieser wurde vom
Studierendenwerk nicht zugelassen mit der Begründung "im Rahmen unserer Werberichtlinien ist eine Bewerbung
politischer oder Religiöser Forderungen jedoch nicht möglich". Bisher wurden allerdings schon andere Infostände von
politischen Gruppen erlaubt, die offensichtlich auch politische Forderungen machen. Das Studierendenwerk forderte
außerdem auf, Materialien des Infostandes zu schicken, da es sich laut ihnen um ein "sehr sensibles Thema" handelt.
Sind Infostände mit politischen Forderungen tatsächlich in allen Fällen nicht erlaubt, oder werden hier für pro-
palästinensischen Aktivismus andere Maßstäbe angelegt? Die repressiven Maßnahmen des KIT blieben nicht dabei
stehen. Am 11. April sollte am KIT ein Vortrag von Dr. Shir Hever über die "Folgen von Rüstungsforschung und
Kooperation am Beispiel Israel" stattfinden. Einen Tag vor der Veranstaltung entzog das KIT der anmeldenden
Gruppe, dem SDS, die Raumgenehmigung, die es knapp einen Monat zuvor erteilt hatte, mit folgender Begründung:
"Seitens des KIT kann nicht ausgeschlossen werden, dass kein konkreter Anlass für die Annahme besteht, dass die
Veranstaltung rechtswidrigen oder verfassungsfeindlichen Zielen dient". Wir fordern die Transparenz der bisherigen
Richtlinien zur Genehmigung von Veranstaltungen, ein Ende der Repressionen sowie die Öffnung des Campus für
politische Diskussionen und Forderungen, insbesondere in Bezug auf Palästina.
Wir als Studierende des KIT protestieren gegen die Mitschuld unserer Universität an einem Völkermord und fordern
das KIT auf, unseren Forderungen nachzukommen.
Quellen und Anmerkungen:
[1] Israel-Hamas war: 40,000 Palestinians killed in Gaza | AP News (15.08.24), Gaza toll could exceed 186,000,
Lancet study says | Israel-Palestine conflict News | Al Jazeera (08.07.24)
[2] UN Bericht "Detailed findings on the military operations and attacks carried out in the Occupied Palestinian
Territory from 7 October to 31 December 2023" vom 10.06.2024, Abschnitt IV. C. Absatz 60 (Seite 16)
https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/s...
Absatz 60.
[3] "Israa University, the last remaining university in Gaza was demolished by the Israeli military on 17 January 2024"
https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/04/un-experts-deeply-concer... (18.04.24)
[4] 370.000 der 439.000 Wohneinheiten Gazas wurden laut UN-Bericht durch Israel bombardiert (Stand 15. April
2024). https://www.undp.org/sites/g/files/zskgke326/files/2024-05/2400257e-gaza...
_expected_socioeconomic_impacts-pb.pdf; https://www.wsj.com/world/middle-east/gaza-destruction-bombing-israel-
aa528542.
[5] UN Bericht vom 10.06.2024, siehe [2], Abschnitt IV. H. Absatz 266 (Seite 64)
[6] 9.10.23, Yoav Gallant: “I have ordered a complete siege on the Gaza Strip. There will be no electricity, no food, no
fuel, everything is closed,” “We are fighting human animals and we are acting accordingly"
https://law4palestine.org/wp-content/uploads/2024/01/1-Database-of-Israe...
2024-DECISION-MAKERS.pdf Eintrag 17
[7] https://www.kit.edu/kit/news_2023.php , Anzeige auf KIT-Startseite Screenshot vorhanden.
[8] https://www.allianz-der-wissenschaftsorganisationen.de/en/topics-stateme...
organisations-in-germany-regarding-the-current-situation-in-israel/
[9] Forensis: German Arms Exports to Israel 2003-2023, 02.04.24, S.4
https://content.forensic-architecture.org/wp-content/uploads/2023/04/For...
Israel-2003-2023.pdf
[10] Anmerkung: Das KIT gibt zwar an, Aufenthalte aktuell aufgrund einer „aktive Reisewarnung des Auswärtigen
Amts" nicht unterstützen zu können, das ändert aber nichts an der Beziehung zwischen den beiden Universitäten.
[11] https://www.intl.kit.edu/ostudent/6608.php
[12] Die Hermes 450-Drohne, ein Elbit-Produkt (https://elbitsystems.com/product/hermes-450/), wird in Gaza
eingesetzt: https://www.hrw.org/news/2024/05/14/gaza-israelis-attacking-known-aid-wo....
[13] Westjordanland: https://imemc.org/article/israeli-troops-demolish-12-homes-near-jerusale...
to-block-the-demolitions/
https://www.fmreview.org/halper/
Ost-Jerusalem: https://poica.org/2008/12/house-demolition-in-jerusalem-a-crime-against-...
strategy/
[14] https://medium.com/@phds4palestine/technion-exposed-israel-technology-institutes-links-with-the-idf-
caffae135923
[15] https://www.technion.ac.il/en/2023/11/the-technion-supports-reserve-sold...
[16] siehe [17] und [19]
[17] https://www.imk-tro.kit.edu/11028.php und
https://www.fona.de/medien/pdf/Proceedings-StatusSeminar2022-24-10-2022-... S.42
[18] https://palestinecampaign.org/psc-company/hebrew-university-of-jerusalem/
[19]https://wasserchemie.ebi.kit.edu/english/2992_2488.php und
https://wasserchemie.ebi.kit.edu/english/918_2797.php
[20] https://www.waterjusticeinpalestine.org/context/mekorot
[21] Wind, Maya. (Verso 2024), Towers of Ivory and Steel: How Israeli Universities Deny Palestinian Freedom, 1.
Auflage, London; New York, Verso, 2024, S. 13
[22] https://bdsmovement.net/pacbi/pacbi-call
[23] "Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat das KIT jegliche institutionelle
Zusammenarbeit abgebrochen. Dabei wurden sämtliche Projekte, Kooperationen und Austauschprogramme mit
russischen Forschungseinrichtungen und Hochschulen auf Eis gelegt. Als Teil der Deutschen
Forschungsgemeinschaft solidarisiert sich das KIT stark mit der Ukraine und ist fest entschlossen, die Kontakte und
die Zusammenarbeit mit den ukrainischen Partnern auf allen Ebenen zu stärken." https://www.intl.kit.edu/13230.php
[24] https://www.asta-kit.de/de/archiv/news/01112016-2344-zivilklausel-am-kit...
[25] https://www.ict.fraunhofer.de/ unter der Überkategorie "Forschung"
[26] https://www.iosb.fraunhofer.de/ unter der Überkategorie "Geschäftsfelder"
[27] Prof. Jürgen Beyerer: Leiter des IOSB, Lehrstuhlinhaber Interaktive Echtzeitsysteme am KIT
https://ies.iar.kit.edu/1473_1497.php
Prof. Marc Eichhorn: Leiter IOSB Standort Ettlingen, Professor für Optronik am KIT
https://www.irs.kit.edu/2636.php
Prof. Frank Henning: Leiter des ICT, Professor für Leichtbautechnologie am Institut für Fahrzeugsystemtechnik am
KIT
https://www.fast.kit.edu/lbt/5192_1240.php

Abstimmungsergebnis
Ja: 
8
Nein: 
1
Enthaltung: 
2
Beschluss-Themen: