Deutschlandstipendium

Date: 
Tuesday, 21. June 2011
Ja: 
14
Nein: 
6
Enthaltung: 
0
Beschluss: 

Das Studierendenparlament des KIT lehnt das 2010 von der Bundesregierung eingeführte, so genannte Deutschlandstipendium ab. Angesichts der Tatsache, dass auf Grundlage dieses Gesetzes ab dem Wintersemester 2011/2012 Stipendien am KIT vergeben werden, wirkt die Studierendenvertretung auf allen Ebenen darauf hin, dass

  • soziale Situation und ehrenamtliches Engagement eine möglichst große Rolle bei der Auswahl der zukünftigen Stipendiat/innen am KIT spielen.
  • der Auswahlprozess sich an möglichst objektiven Kriterien orientiert und transparent abläuft.
  • private Mittelgeber/innen keinen Einfluss auf die Stipendienvergabe nehmen können. 
  • eine Verteilung der Stipendien auf die verschiedenen Fakultäten sich nach der Studierendenanzahl der jeweiligen Fakultät richtet. 
Begründung: 

Das Deutschlandstipendium ist unsozial, da es wie jedes andere Begabtenstipendium auch, letztlich eine Umverteilung von Geldern von sozial Schwachen zu wohlhabenden Schichten darstellt. Diese Feststellung begründet sich einerseits durch die Zusammensetzung der deutschen Stipendiat/innenschaft [1]. Andererseits führt das Deutschlandstipendium aber auch direkt zu einem Abzug von Geldern aus dem BAföG, da mit Einführung des Deutschlandstipendiums der BAföG-Nachlass für die Abschlussbesten wegfällt [2]. Die Schieflage bei der Zusammensetzung der Stipendiat/innenschaft lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass die Studienleistung das primäre Auswahlkriterium ist [3]. Dies ist auch beim Deutschlandstipendium der Fall. Soziale Kriterien und gesellschaftliches Engagement sind nur sekundäre Auswahlkriterien [3]. Des Weiteren fehlt das für das Deutschlandstipendium verwendete Geld dringend für die längst überfällige Erhöhung des BAföG. Somit schreibt das Deutschlandstipendium die soziale Selektivität des deutschen Bildungssystems fest und leistet selbst einen kaum messbaren Vorteil für die Studierenden bei unverhältnismäßig hohem bürokratischem Aufwand. Aus diesem Grund muss die Studierendenschaft auf allen Ebenen darauf hinwirken, dass die Kriterien soziale Situation, einschließlich der finanziellen Lage des/der Einzelnen, und ehrenamtliches Engagement bei der Stipendienvergabe stärker gewichtet werden. Insbesondere ist dies möglich, da die Studierenden in den Auswahlgremien (Studienkommissionen) direkt vertreten sind [4]. Die Zuständigkeit der Studienkommissionen ist aber aus Gründen der Objektivität auch kritisch zu betrachten, weswegen es ebenfalls eine Aufgabe der Studierendenvetreter/innen in diesen Kommissionen sein muss einen transparenten und möglichst objektiven Auswahlprozess zu gewährleisten.

Darüber hinaus ist es kritisch zu sehen, dass die Wirtschaft massiven Einfluss auf die Vergabe der Deutschlandstipendien haben wird. Dieser Einflussnahme wird sogar per Gesetz Tür und Tor geöffnet. So wird die Möglichkeit der Hochschulen private Mittelgeber/innen mit beratender Stimme in die Auswahlkommissionen zu berufen ausdrücklich im Gesetzes erwähnt [5]. Ironischerweise wird an der gleichen Stelle des Gesetzes den Hochschulen vorgeschrieben, dass das Auswahlverfahren so zu gestalten ist, „dass eine Einflussnahme der privaten Mittelgeber auf die Auswahl der zu fördernden Studierenden ausgeschlossen ist.“ [5]. Auch wenn die privaten
Mittelgeber/innen in den Auswahlgremien nicht stimmberechtigt sind ist somit eine Einflussnahme praktisch vorprogrammiert und auch politisch gewollt. In der Vergabesatzung des KIT wurde die Entscheidung, ob und wie viele private Mittelgeber/innen als Berater/innen hinzugezogen werden, an die Fakultätsräte delegiert [6]. Es ist bedauernswert, dass die KIT-Satzung nicht bereits genutzt wurde, um die Einflussnahme der privaten Mittelgeber/innen (im Sinne des Gesetzes) auszuschließen. Es ist nun von essentieller Bedeutung, dass in den Fakultätsräten durchgesetzt wird, dass die Auswahlgremien frei vom Einfluss privater Mittelgeber/innen beraten können.
Des Weiteren birgt das dem Deutschlandstipendium zu Grunde liegende Gesetz die Gefahr, dass Stipendien nur an Studierende fließen, deren Studienrichtung von wirtschaftlichem Interesse ist. Im Gesetz ist ausdrücklich vorgesehen, dass die privaten Mittelgeber/innen eine Studiengangsbindung für ihre Stipendien festlegen dürfen [7]. Die einzige Einschränkung ist, dass lediglich 2/3 aller Stipendien, die der betreffenden Hochschule zustehen, eine solche Zweckbindung besitzen können [7]. Dementsprechend wirbt auch das KIT vollmundig mit der Möglichkeit der Fachrichtungsbindung, wohlwissend dass gerade Studiengänge im Bereich der Geistes- und
Sozialwissenschaften unter Verwertungsaspekten von der Wirtschaft selten als förderungswürdig betrachtet werden [8]. Die Vergabesatzung des KIT regelt darüber inaus, dass die Präsidenten des KIT entscheiden, wie die Stipendien auf die einzelnen Fakultäten verteilt werden [9]. Eine Vorgabe, dass dies nach den jeweiligen Studierendenzahlen geschehen muss enthält dabei weder die Vergabesatzung noch das Gesetz zur Einrichtung des Deutschlandstipendiums. Es gibt lediglich eine mündliche Zusage von Prof. Hippler die Stipendien gemäß den Studierendenzahlen zu verteilen. Es ist die Aufgabe der Studierendenschaft als Interessenvertretung aller Studierenden des KIT auf die gerechte Verteilung der Stipendien gemäß der Studierendenzahlen der Fakultäten zu bestehen.
Nach Einführung der Studiengebühren hatte die Wirtschaft vollmundig angekündigt, selbstständig ein eigenes Stipendiensystem zu etablieren um soziale Härten abzufangen. Diese Versprechen sind aber, bis auf wenige Ausnahmen, folgenlos geblieben. Es ist also offensichtlich, dass das Deutschlandstipendium nur eine staatliche Subventionierung der Nachwuchsförderung der Unternehmen und keineswegs dem Abfangen sozialer Härten dient. Die Subvention erfolgt dabei einerseits über die hälftige Finanzierung des Stipendium durch den Staat und andererseits durch die steuerliche Absetzbarkeit des Anteils der privaten Mittelgeber/innen [8]. Des Weiteren muss bedacht werden, dass die Hochschulen quasi alleine die Kosten der Einwerbung und Vergabe der Stipendien tragen. Es ist lediglich ein geringer Overhead auf die eingeworbenen Mittel vorgesehen [10]. Eine Bürde, die die chronisch unterfinanzierten Hochschulen eigentlich nicht tragen sollten.
 

[1] Studie des Hochschul-Informationssystems (HIS) aus dem Jahr 2008 (abrufbar unter http://www.his.de/pdf/21/Begabte-Bericht.pdf)
[2] http://www.tagesschau.de/inland/stipendien102.html
[3] Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms (StipG) §3 (abrufbar unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/stipg/gesamt.pdf)
[4] Vergabesatzung des KIT §6 Absatz 1 
[5] Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms (StipG) §2 Absatz 2 Satz 3 (abrufbar unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/stipg/gesamt.pdf)
[6] Vergabesatzung des KIT §6 Absatz 2 
[7] Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms (StipG) §11 Absatz 3 (abrufbar unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/stipg/gesamt.pdf)
[8] http://www.rsm.kit.edu/1884.php
[9] Vergabesatzung des KIT §5 (leider noch nicht online abrufbar)
[10] Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms (StipG) §11 Absatz 2 (abrufbar unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/stipg/gesamt.pdf)